Von früh bis Mitternacht – tagein, tagaus
06.00 Uhr – Die ersten Jugendlichen werden geweckt. Energisches Nachwecken, geduldiges Überhören von Unmutsäußerungen. 15 Minuten vor Arbeitsbeginn fällt einem Jugendlichen ein, dass sein Fahrrad kaputt ist und er gefahren werden will. Abwägen der Alternativen: Den Jungen hinfahren und ihn aus seiner Verantwortung nehmen? Oder ihn zu Fuß gehen lassen und Ärger auf seiner Ausbildungsstelle riskieren?
Drei Jungen bleiben im Haus: Einer ist krank, einer hat später einen Termin und einer geht zurzeit keiner sinnstiftenden Tätigkeit nach. Er wird am Vormittag in der Küche helfen.
09.00 Uhr – Termine beim Jugendamt, bei Gericht, beim Arbeitsamt, bei Arbeitgebern. Das Team trifft sich zur Dienstbesprechung, zur Supervision. Verwaltungsarbeiten: die Arbeit dokumentieren, mit Ämtern und Kliniken korrespondieren, Berichte erstellen.
12.00 Uhr – Zwei Schüler kommen aus der heiminternen Unterrichtung im Aslan-Haus nach Hause. Sehen zufrieden aus; haben Lernerfolge erlebt, kein Scheitern, kein Schulversagen. Die Stimmung ist entsprechend euphorisch, die Jungen wollen weiter beschäftigt werden.
Mittagessen; Stimmung lebhaft und laut. Die Betreuer versuchen, alle Bedürfnisse wahrzunehmen und bei der Planung des Tages zu berücksichtigen.
Anschließend Hausaufgabenzeit; aufgrund unterschiedlicher kognitiver, emotionaler Problemlagen werden die Jungen einzeln betreut. Eine Fachkraft für Lese-/Rechtschreibförderung kommt hinzu.
15.00 Uhr – Freizeit; Angebote machen, Selbstständigkeit fördern. Zwei Jungen gehen zum Schwimmen, zwei tragen Anzeigenblätter aus. Sie werden von einem Betreuer begleitet; verdienen sich etwas für den Führerschein hinzu, lernen Verpflichtungen einzuhalten. Bei einem anderen Jungen ist heute Langeweile angesagt. Auch die wird akzeptiert, seine Laune ausgehalten.
Therapiezeit; ein Junge muss ins Olias-Haus begleitet werden. Gemeinsam machen sich Betreuer und Junge per Fahrrad auf den Weg. Die Ärztin kommt zu ihrer wöchentlichen Sprechstunde ins Haus. Logistisches Geschick wird verlangt, um alle Termine „unter einen Hut“ zu bekommen.
Anruf von einem Jugendlichen, der in einem Projekt zur familiären Rückführung betreut wird. Seine Eltern halten es mit ihm nicht mehr aus. Kurze Irritation: Ist das Projekt gefährdet? Es folgt Krisenmanagement: Umzug in die Krisenwohnung, Einzelbetreuung. Bezugsbetreuer wird angerufen, muss seine privaten Termine umstellen, eigene Familie zurückstellen.
18.00 Uhr – Abendbrot wird zubereitet. Im Trubel des Tages ist vergessen worden, Brot einzukaufen. Betreuer fährt mit mehreren Jungen noch einmal zum Supermarkt. Dann endlich sitzen alle am Tisch. Die Lasten des Alltags fallen ab, es wird unruhig. Auffälligkeiten, die durch Einzelzuwendung am Nachmittag aufgefangen werden, brechen durch und führen zu lautstarken Konflikten.
Fernsehen, Spiele, Gespräche. Gerade in der Einzelsitzung am Abend sind sehr schöne Begegnungen möglich. – Eine Mutter ruft an: „Niemand kümmert sich um meinen Sohn.“
22.30 Uhr – Die Nachtruhe beginnt. Es wird darauf geachtet, dass die Jungen keinen „seelischen Ballast“ in den Schlaf mitnehmen. Ein wenig vorlesen, ein kurzes Gespräch führen.
Ein Junge kann nicht einschlafen, die „bösen Gedanken kommen“. Ein Spaziergang mit einem Betreuer durch die Nacht lässt den Jungen zur Ruhe kommen.